Nachhaltige Konzepte für Europa

Nachhaltige Konzepte für Europa

Gemeinsame Wege für geteilte Herausforderungen entwickeln europäische DAAD-Alumni in nationalen, aber auch grenzüberschreitenden Ideen-Labs. Das erste Treffen slowenischer, kroatischer und italienischer Alumni fand im Mai virtuell statt.

Von Sarah Kanning und Christina Pfänder

Die Europäische Union steht vor gewaltigen Aufgaben – die angesichts der Corona-Krise zunächst in den Hintergrund geraten sind. Doch auch die Situation an den EU-Außengrenzen, rechtsstaatliche Einschränkungen in einigen EU-Ländern und die Luftverschmutzung in den Metropolen sind Themen, mit denen sich die Staatengemeinschaft weiterhin auseinandersetzen muss. Im Vorfeld und während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft leistet der DAAD einen Beitrag zur Bewältigung der Herausforderungen – mit Ideen-Labs, die das Wissen, die Erfahrung und die Kreativität seiner Alumni bündeln. „Wir setzen auf einen lösungsorientierten, fächerübergreifenden Austausch unserer Alumni – egal ob sie in der Wissenschaft oder in der Praxis tätig sind“, sagt Dr. Heidi Wedel, Leiterin des DAAD-Alumnireferats.

Wie innovativ Alumni und Alumnivereine sind, zeigte das erste Ideen-Lab im Mai, das ursprünglich im slowenischen Ljubljana geplant war: Es fand nun ausschließlich virtuell statt, inklusive Keynote-Speech, Gruppenarbeit, Projektpräsentation, Autorenlesung und Stadtführung durch die slowenische Hauptstadt. Zwei Tage lang beschäftigten sich die Teilnehmenden des Adria-Ideen-Labs – DAAD-Alumni aus Slowenien, Kroatien und Italien unterschiedlicher Fachrichtungen – mit einem der drängendsten Probleme der EU, der Migration. „Migration ist neben Klimaschutz und demografischem Wandel die globale Herausforderung des 21. Jahrhunderts“, sagte Professor Sandro M. Moraldo, Germanist an der Universität Bologna und Vorsitzender des italienischen Alumnivereins  „Alumni DAAD Italia“ (ADIT), der das Treffen mitorganisiert hat. Migration wurde in dem Ideen-Lab aber auch als Chance gesehen. In vier Gruppen diskutierten die 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, wie Sprache und Kunst zu einer positiven Wahrnehmung von Migration und der Integration von Diversität in die Gesellschaft beitragen oder eine Online-App zum Thema Migration und Bildung entwickelt werden kann. „Es ist unser Ziel, gemeinsam nach Lösungen für Herausforderungen zu suchen, die die gesamte Europäische Union betreffen“, sagt DAAD-Lektorin und Mitorganisatorin Dr. Kristina Lahl. „Es geht um Themen, die vor ­Corona drängend waren – und es auch nach Corona bleiben werden.“

Es geht um Themen, die auch nach Corona drängend bleiben werden

Insgesamt 14 nationale, aber zum Teil auch grenzüberschreitende Veranstaltungen stellen DAAD-Außenstellen und -Informationszentren, Lektorinnen und Lektoren und DAAD-Alumnivereine in den EU-Mitgliedsländern sowie in den Westbalkanländern mit Beitrittsperspektive in den kommenden Monaten auf die Beine. Einige sind aufgrund von Corona verschoben, andere werden wie das Adria-Ideen-Lab virtuell stattfinden. Acht Themenschwerpunkte stehen zur Auswahl und werden mithilfe von interaktiven und ergebnisorientierten Formaten diskutiert: Nachhaltigkeit und Klimawandel; Demokratie in Europa; Migration; Europa in der Welt; Westbalkan – Nachbarn und potenzielle EU-Mitglieder; Studieren und Forschen in Europa; Promoting the European Way of Life oder Digitalisierung und Transformation der Wirtschaft.

Der DAAD-Freundeskreis, der größte Alumniverein des DAAD in Deutschland, setzt mit den Themen Europa in der Welt, Europäische Werte, Migration und Klimawandel vier fachliche Schwerpunkte, die DAAD-Alumni ausgestalten. „Wir haben aus der ganzen Bundesrepublik vielversprechende innovative Projekt­ansätze erhalten, die zu tragbaren Lösungen führen können“, sagt die stellvertretende Vorsitzende des DAAD-Freundeskreises, Dr. Sabine Englich. „Die Interessensbekundungen zum Thema Europäische Werte sind dabei stark repräsentiert. Das EU-Lab soll darüber hinaus zu einer engeren Vernetzung der deutschen Alumni beitragen.“

Die Ideen-Labs sollen die Alumni besser vernetzen

Das DAAD-Informationszentrum Belgrad hat den Teilnehmern des Ideen-Labs die Wahl des Themas überlassen – und wird ein World-Café zum „European Green Deal“ veranstalten. „In Serbien gewinnt das Thema, beispielsweise durch die Smogbelastung im vergangenen Winter, immer stärker an Relevanz“, sagt Dr. Simone Heine, Direktorin des DAAD-Informationszentrums Belgrad. „Zudem steht der Klimawandel mit weiteren Aspekten wie dem Populismus in Beziehung.“ Über umweltschonende Methoden der Energieversorgung oder den Umgang mit Wasserknappheit werden dabei DAAD-Alumni aus drei Ländern des Westbalkan – Serbien, Bosnien und Montenegro – gemeinsam debattieren. „Zahlreiche Naturwissenschaftler, aber auch Medien- und Geisteswissenschaftler sind vertreten“, so Heine. „Am Ende werden wir Ergebnisse mittels Graphic Recording festhalten und in Podcasts oder kurzen Filmen über unseren Workshop berichten.“ In dem Konzept sieht Daliborka Maldaner, Präsidentin des DAAD-Alumnivereins Serbien, eine besondere Chance: „Unsere Mitglieder sind sehr motiviert“, sagt sie. „Es stellt für uns einen großen Wert dar, gemeinsam mit Alumni der Nachbarländer hochwertige Ergebnisse zu erarbeiten und nach dem Workshop weiterhin in Kontakt zu bleiben.“

Der „Green Deal“ bringt auch in Polen hoch qualifizierte DAAD-Alumni zusammen. Das Ideen-Lab „Kleine Schritte für den großen Wandel“ startet die DAAD-Außenstelle Warschau mit einem Input durch Expertinnen und Experten, den die polnischen DAAD-Alumni in kleineren Gruppen individuell weiterentwickeln. Den Rahmen für kreative Vorschläge zum Thema Umweltschutz bilden dabei die eigene Umgebung und der eigene Alltag, nicht die große politische Bühne. „Die einzelnen Teams sollen wirksame und vor allem leicht umzusetzende Klimainitiativen entwickeln“, erklärt Jan Bogdanovic, der als Lektor an der DAAD-Außenstelle Warschau und der Technischen Universität Warschau Mitglied des Organisationsteams ist. Unter den Teilnehmenden sind unter anderem Vertreterinnen und Vertreter aus den Bereichen Medizin, Germanistik und Ingenieurwesen – und DAAD-Alumna Marta Gomolla, die Konferenzdolmetschen studiert. „Meine Generation wird die Folgen des Klimawandels mit Sicherheit zu spüren bekommen“, sagt sie. „Wir sind in der Verantwortung, etwas dagegen zu tun, solange es noch möglich ist.“ Besonders hohe Erwartungen hat sie an den Input der Umweltaktivisten und Experten. „Der Reichtum an Perspektiven und der praxisorientierte Ansatz sind gute Voraussetzungen für das Verwirklichen von tragbaren Ideen.“ Am Ende steht eine Online-Abstimmung über die Initiativen – und die Präsentation der besten Entwürfe in der deutschen Hauptstadt.

Die ursprünglich als erstes großes EU-weites Alumnitreffen geplante Abschlussveranstaltung in Berlin muss zwar coronabedingt zunächst im kleineren Rahmen stattfinden. Die Gesamtplanung aber bleibt: „Die Gewinner der Ideen-Labs sollen ihre Vorschläge hochrangigen Vertreterinnen und Vertretern aus Politik und Wissenschaft vorstellen“, sagt Heidi Wedel.